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Fairplaid: Wie ein Start-up Nischensportler fördert

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Copyright: Hu Totya, Wikicommons, CC-BY-1.0

Ob Neid das richtige Wort ist? Marthe-Victoria Lorenz überlegt kurz. Dann sagt sie: „Nein, Neid ist es nicht. Aber man ärgert sich schon ein bisschen, wenn ein Fußballclub mal wieder Millionen für einen neuen Spieler ausgibt, während man selbst nur ein paar hundert Euro für neue Trikots bräuchte – und das Geld nicht bekommt.“

Lorenz hat diese Ungleichheit häufig erlebt. Als Abteilungsleiterin der Basketball-Abteilung und Trainerin der Frauen-Nachwuchsmannschaften des MTV Stuttgart erntete sie mehr als einmal Absagen, wenn sie auf der Suche nach neuen Sponsoren war. Und das lag nicht nur daran, dass sie sich mit Nachwuchs-Frauen-Basketball tatsächlich in der sportlichen Nische befand. „Ich habe durch mein sportliches Umfeld mitbekommen, wie schwierig es generell ist, Unterstützer für den Breitensport zu gewinnen“, erinnert sich Lorenz, die damals auch im Eishockey engagiert war.

3000 Euro für die Damen-Unterwasserhockey-Nationalmannschaft

Doch statt frustriert aufzustecken und ihre Mannschaft noch eine weitere Saison in den alten Jerseys spielen zu lassen, entschied sich Lorenz dafür, aktiv zu werden, und gründete Mitte 2013 die Sponsoring-Plattform Fairplaid. Den Anstoß dafür gab ein Artikel im US-amerikanischen „Time Magazine“. Darin ging es um Crowdfunding – also um die Finanzierung von Projekten durch viele kleine Einzelspenden gegen Belohnung. Besonders in der Start-up-Branche schon damals ein erprobtes Mittel, im Sport aber zu Lorenz‘ Überraschung noch ungenutzt.

Die Idee schlug ein. Seit der Gründung hat Fairplaid mithilfe von mehr als 4550 Unterstützern knapp 315.000 Euro eingesammelt und somit 95 Sportprojekte finanziert. Darunter meist Projekte aus dem deutschen Vereinsalltag wie eine Zeitmessanlage für einen Leichtathletikverein, Trikots für einen Berliner Basketballklub oder Turngeräte für eine Kindersportabteilung, aber auch sportliche Kuriositäten. So sammelte die Damen-Unterwasserhockey-Nationalteams mehr als 3000 Euro ein, um zur Weltmeisterschaft nach Ungarn zu fliegen und im internationalen Wettkampf genau das zu machen, wonach es klingt: Hockey unter Wasser zu spielen. Auch die deutsche Quidditch-Nationalmannschaft (ja – der Zauberer- und Hexensport aus den Harry-Potter-Romanen) konnte die nötigen 800 Euro gewinnen, die die Mannschaft brauchte, um im Juli bei der Europameisterschaft in Italien antreten zu können.

Gemein haben alle Projekte – vom neuen Trikotsatz zur Exoten-WM-Teilnahme –, dass sie bei Unternehmen kaum auf Gegenliebe stoßen, die einen noch weniger als die anderen. „Das Hauptproblem beim Sponsoring von Breiten- und Nischensport ist, dass Unternehmen dabei kaum strategische Sponsoringziele verfolgen können“, sagt Hendrik Fischer, Managing Director der Sponsoringberatung Advant Planning. Wo im Profifußball Trikotwerbung und die Rechte an Stadionnamen Millionen Menschen erreichen, den Sponsor bekanntmachen, Zielgruppen an seine Produkte heranführen und das Unternehmen emotional aufladen, sei das im kleinen Maßstab kaum möglich.

Das Ziel ist daher normalerweise auch ein anderes: „Es geht bei der Unterstützung von kleinen Vereinen eher um Good Corporate Citizenship“, sagt Fischer – also darum, sich als Unternehmen dem ansässigen Sportverein als guter Nachbar zu präsentieren und ab und zu mal ein paar Euro springen zu lassen. Große Würfe seien damit für beide Seiten nicht drin. Die Summen seien gering und die Wirkung des Engagements aus betriebswirtschaftlicher Perspektive übersichtlich. Zudem konkurriere der Sport mit tausenden anderen förderungswürdigen Projekten.

“Unternehmen geben lieber Gutscheine als Geld”

Copyright: Jorinde Weinmann

Lorenz ist das Problem bekannt. Dennoch hat sie erste Unternehmen gewinnen können, sich über Fairplaid im Breitensport zu engagieren. Dazu setzt die Plattform darauf, dass die Projektstarter ihre Unterstützer nicht nur mit Dankeschön-Geschenken für ihre Beiträge belohnen, wie es beim Crowdfunding üblich ist. Bei Fairplaid können sich die Privatsponsoren alternativ auch Gutscheine, Sachleistungen oder Event-Tickets von Unternehmen als Dankeschön aussuchen. Häufig seien die Prämien sogar mehr Wert als der geleistete Sponsoringbeitrag, sagt Lorenz.

Dass es ausgerechnet Geschenke sind, hat gleich mehrere Gründe. Einerseits solle durch die speziell für die Plattform ausgegebenen Prämien ein größerer Anreiz für Privatleute geschaffen werden, die Sportler zu unterstützen, erklärt die Gründerin. Anderseits wolle man aber auch die Unternehmen darauf aufmerksam machen, welche Möglichkeiten der Breitensport in puncto Werbung und Öffentlichkeitsarbeit biete. Schließlich seien 27 Millionen Menschen in Sportvereinen aktiv, dazu kommen Angehörige und Freunde. Gutscheine oder Tickets seien gute Zugpferde, diese Zielgruppe zu erschließen.

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Unternehmen lieber Gutscheine geben, als Geld“, sagt Lorenz. Die Firmen könnten so besser nachvollziehen, welche Effekte ihr Engagement habe – bei einem Sponsoring ist das besonders für kleinere Betriebe schwierig zu evaluieren, wie auch Berater Fischer sagt.

Schließlich hilft noch ein betriebswirtschaftlicher Kniff, um die Sportförderung anzukurbeln: „Viele Unternehmen haben gar kein Sponsoring-Budget“, erläutert Lorenz, „Gutscheine hingegen fallen häufig ins Marketing-Budget.“ Über diesen Umweg ließen sich Unternehmen dafür gewinnen, den Sport zumindest indirekt zu unterstützen. Unternehmen wie den Bahnkonkurrenten Flixbus, den Onlineshop Rebuy, den Basketball-Bundesligaklub Frankfurt Skyliners oder kulturelle Einrichtungen wie das Staatsballett Berlin konnte Fairplaid schon für sich gewinnen.

Um das offizielle Ziel, neben gewöhnlichem Sponsoring und staatlicher Förderung die dritte Säule der deutschen Sportunterstützung zu werden, zu erreichen, möchte Lorenz noch mehr Konzerne ins Boot holen und weitere Fördermöglichkeiten schaffen. So betreibt fairplaid für die Baden-Württembergische Bank (BW-Bank) die Website Bw-crowd, die wie Fairplaid funktioniert. Ausnahme: Das Unternehmen legt bei Spenden ab fünf Euro nochmals fünf Euro dazu.

Das Projekt allein reicht nicht

Fairplaid selbst finanziert sich durch eine Provision von neun Prozent an der Endsumme der erfolgreichen Projekte. Dafür werde jedes Projekt persönlich betreut, außerdem suche man unter erfolgreichen Sportlern nach öffentlichkeitswirksamer Unterstützung, wickele die Zahlungen über ein Treuhandkonto ab und spreche auch Unternehmen an, die Interesse haben könnten, das Projekt zusätzlich zum Crowdfunding direkt zu unterstützen.

Für die Vereine heißt das allerdings nicht, dass sie mal schnell ein Projekt starten und dann das Geld von alleine fließt, sagt Lorenz. Die Sportler müssten ihre Aktion gut planen. Es müsse klar sein, wer die Zielgruppe sein soll, die Summe müsse seriös kalkuliert werden, es brauche einen Verantwortlichen und schließlich müsse alles erfolgsversprechend präsentiert werden. Text, Fotos und Videos seien wichtig, eine Vision ein Muss: Etwa vom Titelgewinn, den man in den erhofften neuen Trikots anstrebt.

„Es reicht nicht, einfach zu sagen, dass man neue Klamotten braucht“, sagt die Gründerin. Sei aber erkennbar, dass die Projekte sinnvoll seien und dass das Geld tatsächlich benötigt werde, dann seien auch große Summen zu stemmen. So schaffte es der 1. Amputierten Fußball Club, innerhalb von nur zwölf Tagen mehr als 16.500 Euro einzusammeln und zur WM nach Mexiko zu fahren.

Malte Laub für Wiwo Gründer.


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